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Das ECE-Center. Oder: Ein Denkmal für den Leeraner Stadtrat

Autor: Carsten Tergast

Wer dieser Tage die Ostfriesen-Zeitung aufschlägt, fällt von einer Ohnmacht in die andere. Das Thema der Stunde heißt „ECE-Center“. Dieser Tage konnte man anhand einer veröffentlichten Abbildung einen ersten echten Eindruck davon bekommen, was „unserer kleinen Stadt“ da droht.

Das Wort Einkaufscenter beschreibt nur unzureichend, wie nach dem Plan der Betreiber und offensichtlich auch der Mehrheit des Stadtrates die obere Mühlenstraße umgestaltet werden soll.

Als in Wien vor gut hundert Jahren etablierte Einrichtungen Neubauten weichen mussten, schrieb der scharfzüngige Kritiker seiner Zeit, Karl Kraus: „Wien wird jetzt zur Großstadt demolirt“. Man wird das Gefühl nicht los, dass Bürgermeister und Stadtrat das Gleiche derzeit mit Leer vorhaben. Allein: Wien war und ist tatsächlich Großstadt, was man von Leer nicht wird behaupten wollen und können.

Die Argumente „Pro-Center“ sind immer die gleichen: Arbeitsplätze, neue Kunden aus dem Leeraner Umland, Attraktivität der Innenstadt. All dies Argumente, für deren Entkräftung man keine umfangreichen Studien braucht, sondern nur offene Augen und ein wenig Nachdenken.

Die Arbeitsplätze, besser gesagt: deren Beständigkeit, hängen vom zweiten Argument direkt ab. Nur, wenn das Center die prognostizierten Kundenströme auch tatsächlich anzieht, werden die Arbeitsplätze dauerhaft erhalten bleiben. Andernfalls droht das, was in vielen Centern heute schon Realität ist: Leerstand, häufiger Wechsel, Verödung des Angebots und keinesfalls gesicherte Arbeitsplätze.

Doch diese Kundenströme müssten natürlich irgendwo herkommen. Also prognostiziert man einfach mal eine sechsstellige Zahl von potenziellen Kunden, die es zusätzlich (!) nach Leer ziehen soll, nur um ein Einkaufscenter zu besichtigen, wie es hunderte im Land gibt. Oldenburg bekommt sein eigenes Center, die ostfriesische Konkurrenz spielt auch mit dem Gedanken, wäre es da nicht eine interessante Idee, einfach mal anders zu sein, und auf innovative Einzelhandelskonzepte zu setzen, die es anderswo eben so nicht zu sehen gibt? Nein, lieber machen wir die gleichen Fehler wie die anderen…

Der Stadtrat ist kürzlich gesammelt unterwegs gewesen, um sich ein Beispielcenter anzuschauen. Die Geschäftsführung der ECE dürfte bei der Auswahl dieses Centers sicher gerne behilflich gewesen sein, um ein kürzlich eröffnetes Musterbeispiel ausfindig zu machen. Solche Informationsreisen auf Kosten des Steuerzahlers sind allerdings leidlich unnötig, wenn jedes Mitglied der Delegation auf privaten Reisen einfach mal die Augen offen halten würde und sich die Auswirkung von Centern in vielen Innenstädten anschaut.

Mit Attraktivität hat der Innenstadt hat das wohl wenig zu tun. Denn, was macht eine Innenstadt attraktiv? Sind es die immer gleichen Läden einiger weniger Ketten, in denen die immer gleichen Klamotten, Schuhe, Kosmetika und Bücher verkauft werden? Oder ist es nicht vielmehr die Breite des Angebots, individuelle, überraschende Ideen findiger Geschäftsleute, die dem Kunden Spaß machen und ihn animieren, das weniger werdende Geld auszugeben?

Leer hat solche Geschäftsleute und ihre Läden zum Glück immer noch. Einige sind seit Jahrzehnten etabliert, andere sind in den vergangenen Jahren hinzugekommen und haben das Angebot in der Innenstadt erheblich bereichert, man denke an den „Spielraum“ oder das „Antiquariat Hecht“. Sowohl hochwertige Spiele als auch ein Antiquariat, das sich direkt an Buchliebhaber und –sammler wendet, sind keine Kandidaten für ein ECE-Center. Sie werden aber merken, dass mit der Eröffnung des Centers spürbar weniger Kunden den Weg bis in die untere Mühlenstraße und die Altstadt finden werden, weil ihre Aufmerksamkeit und ihr Umsatzpotential vom gleichgeschalteten Center-Angebot absorbiert worden ist.

Das Center, wie es sich auf der Abbildung findet, macht den Eindruck einer Stadt in der Stadt. Es fügt sich genauso wenig organisch in die Leeraner Gegebenheiten ein, wie es die Nobelbauten auf der Nesse tun, die bis heute wie ein Fremdkörper der lebendigen Fußgängerzone gegenüberstehen.

Den Verantwortlichen scheint dies egal zu sein. Sie wollen anstelle von maßvoller städtischer Weiterentwicklung in Kleinarbeit alles mit einigen großen Würfen erledigen. Hier ein neuer Stadtteil, dort ein riesiges Einkaufscenter. Größe zählt, nicht Qualität. Ob das für eine Stadt wie Leer der richtige Weg ist, darf bezweifelt werden. Es steht allerdings zu befürchten, dass sich Bürgermeister und Teile des Stadtrates hier ihre Denkmäler setzen, die so groß sind, dass sie hinterher auch nicht mehr gestürzt werden können.

Tags: Bürgermeister, ECE-Center, Leer, Nesse, Stadtrat

Dieser Artikel wurde am Mittwoch, 23UTC6 23. Juni 2010 um 10:27 Uhr veröffentlicht und befindet sich in der Kategorie Leer. Kommentare auf diesen Artikel können im RSS 2.0 RSS-Feed verfolgt werden. Antwort, oder trackback

3 Kommentare zu “Das ECE-Center. Oder: Ein Denkmal für den Leeraner Stadtrat”

2. Oktober 2010 at 19:24

Reger Bernadette says:

Vor mehreren Wochen habe ich diesen Artikel an eine „Sonntagszeitung“ geschickt.Er war zu lange und auch nach 3 mal kürzen wurde er nicht gedruckt.
Nun nutze ich die Gelegenheit und schreibe ihnen den kompletten Artikel.

Vor über 8 Jahren sind wir aus dem Saarland hierher ins beschauliche Ostfriesland gezogen.
Wir freuen uns jedes mal, wenn wir, häufig mit Besuch aus der alten Heimat durch Leer bummeln, über die zahl-, und abwechslungsreichen kleinen Geschäfte, die dort ansässig so bezaubernd anzusehen sind.
Aus unserer alten Heimat kennt man das nicht mehr.
Die Orte und Städte im Saarland sind übersät von geschlossenen Ladenlokalen. Ganze Stadtteile sind wie ausgestorben.
Fast jede Stadt hat durch die Bausünden der Stadtväter die vor 20-30 Jahren meinten, sie müssten mit dem Fortschritt mithalten und die irgendwelchen Architekten Raum gaben um ihre eigenen Visionen von Wohngebäuden und Stadtsanierungen je moderner desto besser, allen Stadtkernen das Herz entrissen und mit Beton die neuen Stadtgestaltungen unsere Städte entstellten.
Nichts altes erhaltenswertes wurde geschont. Wunderschöne Fachwerkhäuser, nach denen sich heute jede Stadt die Finger lecken würde, wurden abgerissen um einer großzügigeren Straßengestaltung Platz zu machen – die heute wieder teuer Rückgebaut werden müssen.

Dies erwähne ich nur, weil bei jedem Stadtbummel mit unseren Besuchern durch Leer der Satz fällt: Warum haben wir daheim keine so wunderschönen Plätze mehr,wie sie hier in Leer überall zu finden sind ?

In zwei Nachbarstädten Homburg und Neunkirchen wurden vor 20 Jahren Einkaufscenter eröffnet. Der Jubel war groß. Jeder musste unbedingt hin und für die kurze Zeit eines Einkaufsbummels fühlte man sich wunderbar.
Dieser Glanz, diese Eleganz,man war regelrecht davon geblendet. Es machte Spaß in einem der vornehmen Cafés zu sitzen und ein Stück Torte oder Eis zu essen.

Mit der Zeit hatte man es zig mal gesehen, lief nur noch zielstrebig in die einzelnen Geschäfte in denen man etwas zu erledigen hatte.
Nach einiger Zeit standen die ersten Boutiquen leer. Die exklusive Lage hatte natürlich ihren hohen „ Preis“ genannt Mietpreis.
Nicht bedacht wurde nämlich, dass Passanten nicht gleich Kunden sind.
Sehr viele Passanten bummelten zwar durch die Center, gekauft wurde aber zu wenig, da die Preise für „ Otto-Normal-Verbraucher „ einfach zu teuer waren.

Neunkirchen hat zwar ein wunderschönes Center, die Geschäfte darin und drumherum kämpfen aber mit dem Massensterben der Läden.
In Neunkirchen befand sich 15 Gehminuten vom Saarpark-Center ein C & A und Sinn & Leffers.
Als Real aus dem Saarpark-Center auszog, zog C & A dort ein.
Sinn & Leffers hatte schon länger ganz geschlossen. Nun stehen nicht nur die etwas abseits gelegenen Geschäfte leer, sondern auch einige die auf dem ehemaligen Weg zu C & A liegen.

Man muss kein Hellseher sein, um voraussagen zu können, dass die Innenstadt von Leer falls so ein Center gebaut wird, auch aussterben wird.
Wenn man durch ein Center mit zig-Tausend qm gelaufen ist, ist man zu Müde um noch durch die jetzt noch wunderschöne weitläufige Stadt zu bummeln.
Da sowieso jeder 2-3 Laden dann aber geschlossen hat wird die Innenstadt unattraktiver sein als jetzt.

Man kann nur hoffen, dass die Stadtväter nicht dem Irrglauben unterliegen so ein Center würde die Stadt beleben, es ist im Gegenteil, der Tot eines jeden Geschäftes, das weiter als 200-300 Meter vom neuen Einkaufs- Centrum entfernten ist, da sie über kurz oder lang schließen müssen.

Der Passantenfluß reißt am Center ab. Lediglich Personen die zu weiter entfernten Ärzten laufen müssen, und im ECE parken beleben dann noch diese Wege.
Leer sollte sich auf seine einmalig schönen individuellen Geschäfte besinnen, gerade diese kleinen liebevoll gepflegten Geschäfte machen den Reiz der Stadt aus. Dieses einmalige Ambiente muss erhalten bleiben, ansonsten reiht sich Leer in die Reihe unzähliger nichts sagender Städte mit zwar glanzvollen Einkaufszentren ein, die mehr und mehr das urige Erscheinungsbild der Stadt beschädigen.
Nicht alles was modern erscheint ist sinnvoll.

Hier gilt es den Charme der wunderschönen Stadt zu erhalten, und ihn nicht der Verwirklichung einiger Ideen des Bürgermeisters oder einzelner Stadtplaner zu opfern.
Schon am Hafen sieht man, dass meiner Meinung nach bei der Planung Fehler gemacht wurden. Statt die Bauten auf der Nesse den riesigen Stadtvillen, die genug Platz für Miet- und Eigentumswohnungen bieten anzupassen, wurden moderne Bauten hingestellt die alles andere als schön sind.

Noch ein Aspekt für die kleinen Läden ist, dass sie meistens Personal haben, das freundlich und Warenkundig beraten kann, nicht wie in den riesigen Läden, in denen kaum ein fachlich ausgebildeter Berater zu finden ist, weil es dort mehr darum geht Ware ein und umzuräumen.

Modernisieren ist gut und schön. Leider zieht es Industrialisierung nach sich.
Diese wiederum Hektik und Unruhe. Verkehrsstaus und dadurch Zeitmangel.
Vor diesem ganzen Hintergrund sind wir aus dem unruhigen Saarland hierher gezogen, wo die Häuser, die Umgebung und die Menschen Ruhe ausstrahlen.
Wo Samstags und Sonntag noch Ruhe herrscht. So stelle ich mir ein Urlaubsgebiet vor.
Nicht wie in den Industriegebieten wo 24 Stunden rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr Stress, Hektik und Unruhe herrschen.
Einkaufszentren sind heute nichts mehr besonderes.

Eine Stadt wie Leer und ihre Einwohner sollten ganz auf ihre charakteristisches Ausstrahlung vertrauen sie brauchen kein Einkaufscenter, sondern dass was sie ohnehin haben Charakter, Beschaulichkeit, Ruhe und Freundlichkeit.
Leer ist ein Anziehungspunkt für Touristen, die sich allesamt in die kleinen, liebevoll restaurierten Häuser verlieben oder verliebt haben. Fast nirgendwo findet man so eine reiche Anzahl von Einzelhandels-Läden.
Es ist die Pflicht der Stadtväter dieses Kleinod zu erhalten.
Große Städte mit riesigen Einkaufsstätten sind beliebig austauschbar.

LEER NICHT!

5. November 2010 at 11:02

Leer-Meinung » Blog Archive » So wird die Altstadt zum Museumsdorf. Interview mit Augenoptikermeister Bernd Leffers zur ECE-Problematik says:

[…] der Innenstadt und einer Steigerung ihrer Attraktivität für die Kunden stets interessiert. Die Pläne für die Errichtung eines ECE-Centers im Bereich der oberen Mühlenstraße haben sowohl ihn als auch viele seiner Kollegen in den […]

8. Dezember 2010 at 11:00

Leer-Meinung » Blog Archive » Theater spielen für die Öffentlichkeit says:

[…] wurde, in der es um die Änderung des Bebauungsplanes für die Flächen ging, auf denen das ECE-Center entstehen soll. Gleich geht die Theateraufführung […]

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