Kinder auf dem Gallimarkt – Kleine Meldung, wichtiger Hintergrund
Autor: Carsten Tergast
Es war nur eine kleine Zeitungsmeldung heute, aber manchmal steckt ja genau darin ganz viel Wahrheit und Erkenntnis. Da fühlt sich der Leeraner Bürgermeister genötigt, explizit darauf hinzuweisen, dass die Leeraner Bürger beim Besuch des Gallimarktes am späten Abend ihre Kinder nicht mitnehmen sollten.
Nun kommt Wolfgang Kellner in diesem Blog ja meist nicht so gut weg, doch hier muss man sagen: der Mann spricht wahr. Es sei, so seine Aussage, eine besorgniserregende Tendenz zu erkennen, dass immer mehr Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter spät abends noch auf dem Markt herumlaufen, zum Teil alleine, weil ihre Eltern längst erheblich dem Alkohol zugesprochen und den Nachwuchs ausgeblendet haben.
Diese Erkenntnis deckt sich mit vielen anderen ähnlichen Beobachtungen quer durch die Republik, bei denen es ganz normal zu sein scheint, Kinder unter zehn Jahren abends einfach mitzuschleppen, wenn Papa und Mama feiern gehen wollen. Dabei ist es egal, ob das der Jahrmarkt ist oder, wie im letzten Jahr vom Verfasser selbst gesehen, ein Konzert der „Toten Hosen“ mit dem entsprechenden Geräuschpegel.
Verwahrlosungstendenzen, Unterschichtenproblem? Keineswegs. Erstaunlich oft handelt es sich bei diesen Fällen um normale Mittelschicht-Familien, denen man kaum den Vorwurf machen kann, sich nicht um ihre Kinder zu kümmern oder sonstige asoziale Tendenzen an den Tag zu legen.
Das passende Erklärungsmuster hat der Kinderpsychiater Michael Winterhoff in den letzten Jahren in seinen Büchern vorgelegt. Hier wird ganz offensichtlich dem Partnerschaftsgedanken in der Erziehung in einer Weise gefrönt, die der eigentlichen Idee nicht mehr entspricht. War es lange Zeit eine wichtige Errungenschaft, mit Teenagern nicht mehr vom hohen elterlichen Ross herab umzugehen, sondern auf Augenhöhe, so gibt es diese Tendenz in den letzten etwa fünfzehn Jahren zunehmend bereits bei Kindergarten- und Grundschulkindern. Was den Erwachsenen erlaubt ist, soll den Kindern nicht verboten sein.
In dieser Logik ist es Unterdrückung, wenn die Eltern ihrem Nachwuchs den Gallimarktsbesuch verwehren. Das Kind kann das doch selbst entscheiden. Ob nun mit fünf Jahren oder mit fünfzehn. Wie verbreitet diese Einstellung mittlerweile ist, zeigt die Tatsache, dass der Bürgermeister sich genötigt sieht, via Medien auf den Wahnsinn hinzuweisen, der hier grassiert.
Normaler Menschenverstand und elterliche Intuition sind hier jedenfalls längst baden gegangen, und es sollte sich niemand wundern, wenn die ersten Meldungen über Kinder in der Zeitung stehen, bei denen diese nicht wohlbehalten nach Hause gebracht werden konnten.
Tags: Bürgermeister, Eltern, Erziehung, Gallimarkt, Kinder, Leer, Winterhoff
11. September 2010 at 14:44
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26. September 2010 at 11:50
Richtig so…
ich wäre auch für ein massives Polizeiaufgebot um das Jugendschutzgesetz in dieser Zeit durchzusetzen…
26. September 2010 at 12:16
Ich habe, glaube ich, nirgendwo etwas von einem „massiven Polizeiaufgebot“ geschrieben, oder? Es geht nicht um irgendein Jugendschutzgesetz, sondern um das Bewusstsein der Eltern…
27. September 2010 at 11:38
ist richtig…
ich bin selbst Vater von zwei Kindern. ich würde meine Kinder sicher nicht zu den abendlichen Veranstaltungen mit ins enge getümmel des Markes mitnehmen.
ich selbst finde einige eltern auch absolut unverantwortlich in diesem punkt. nur andererseits werfe ich dann jetzt die frage in den raum, warum wird da seitens der stadt nicht vorab eingegriffen wird? an die vernunft der eltern zu appelieren ist sicher ein guter ansatz. aber meiner ansicht nach wird es viele eltern nicht interessieren. bis dann im schlimmstenfall ein Kleinkind zu schaden kommt. aber dann ist das gejammer wieder groß. warum dann nicht gleich seitens der ordnungsbehörden präventiv reagieren. es reicht doch wenn einige dann das gespräch mit den eltern suchen und aufklären. sonst sind sich polizei und politik doch auch einig. massiver polizeieinsatz ist wohl wirklich übertrieben,sorry. naja, es sei denn das neuerliche feindbild „rocker“ würde sich dort auf dem gallimarkt sehen lassen… aber das ist eine andere sache.
27. September 2010 at 11:45
Es geht aber m.E. nur über das Bewusstsein der Eltern. Polizeieinsätze können nicht dazu dienen, Eltern und Kinder zu kontrollieren… Was nicht dagegenspricht, mit Kontaktbeamten vor Ort zu sein und in offensichtlichen Fällen einzugreifen.
Das Thema „Elternbewusstsein“ ist allerdings ein größeres. Die Gallimarkts-Geschichte ist dabei nur ein Aspekt…
29. September 2010 at 09:34
Natürlich muss ich der grundsätzlichen Aussage im obigen Blog absolut zustimmen, jedoch ist m.E. nicht die angesprochene Problematik der Ich-Begegne-Meinem-Kind-Auf-Augenhöhe-Situation ein Auslöser für die „soziale Verwahrlosung“ einiger Kinder und der damit einhergehende Alkoholkonsum, das unbeaufsichtigte „Herumtreiben“ auf den Straßen bei Nacht und die steigende Kontra-Haltung fast allen Älteren gegenüber. Ich denke, dass das grundsätzliche Desinteresse in der gesamten Bevölkerung steigt und dadurch auch immer mehr Kinder vernachlässigt werden. Bei Kindern ist die Veränderung in den letzten Jahren nicht zu übersehen, da dies mittlerweile (Gott sei Dank) auch in die Öffentlichkeit dringt.
Schaut man sich aber zum Beispiel die Zahl der Ehe-Scheidungen der letzten Jahre an oder vergleicht andere soziale Bindungen mit denen vor 10 Jahren, so ist meiner Meinung nach ein deutlicher Zusammenhang zu sehen. Jeder interessiert sich immer weniger für die anderen um einen herum.
Das ganze war jetzt etwas OffTopic, deshalb hier nochmal direkt zum Thema: Nein, Kinder sollten Nachts weder auf Märkten noch sonstwo unterwegs sein. Aber die Polizei dürfte hier die falsche Institution sein, das Jugendamt, Streetworker o.ä. hätten wahrscheinlich bessere Chancen. Genannte haben aber oft einfach keine „Lust“ mehr sich mit solchen Dingen auseinander zu setzen, da von oben immer Steine rollen.