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So wird die Altstadt zum Museumsdorf. Interview mit Augenoptikermeister Bernd Leffers zur ECE-Problematik

Autor: Carsten Tergast

Bernd Leffers an seinem Arbeitsplatz

Augenoptikermeister Bernd Leffers ist mit seinem Ladengeschäft in der unteren Mühlenstraße eine feste Institution in der Leeraner Geschäftswelt. Er ist Mitglied der Werbegemeinschaft und an einer Weiterentwicklung der Innenstadt und einer Steigerung ihrer Attraktivität für die Kunden stets interessiert. Die Pläne für die Errichtung eines ECE-Centers im Bereich der oberen Mühlenstraße haben sowohl ihn als auch viele seiner Kollegen in den inhabergeführten Geschäften im hinteren Bereich der Fußgängerzone alarmiert. Im Gespräch mit Leer-Meinung.de erklärt Bernd Leffers seine Sicht der aktuellen Lage.

Leer-Meinung.de: Können Sie sich noch erinnern, wie sie zuerst von den Plänen für ein ECE-Center erfahren haben?

Bernd Leffers: Genau wie alle anderen Bürger unserer Stadt auch: aus der Zeitung…

Das heißt, die Geschäftsleute in der Innenstadt wurden nie direkt angesprochen? Immerhin betrifft sie diese Planung ja auf das Heftigste.

Nein, damals hat uns keiner angesprochen, und wenn man ehrlich ist, muss man sagen: heute spricht eigentlich auch noch keiner der Verantwortlichen wirklich mit uns.

Das entspricht dem Eindruck, den man aus Gesprächen mit den Bürgern der Stadt mitnimmt. Fühlen Sie sich von der Politik auf den Arm genommen?

Ob uns da bewusst jemand auf den Arm nehmen will, entzieht sich meiner Beurteilungskraft. Fakt ist für mich jedoch: die Distanz zwischen den Entscheidungsträgern im Stadtrat und denjenigen, die mit deren Entscheidungen hinterher leben müssen, war selten größer als zur Zeit.

Der Stadtrat ist aber ja nicht alleine. Die Geschäftsleute der oberen Mühlenstraße…

…sind in ihrer Handlungsweise komplett zu verstehen! Was würden Sie als Geschäftsmann machen, wenn man ihnen eine solch einzigartige Gelegenheit vor die Nase setzt? Also, ich würde im Sinne meines Unternehmens handeln und das Beste aus dieser Gelegenheit mitnehmen. Alles andere wäre unternehmerisch unvernünftig. Nein, nein, es bleibt dabei: die Hauptverantwortlichen für diese Misere sitzen im Rathaus.

Wo wir grad beim Stichwort Misere sind: welche Nachteile drohen der Innenstadt, wenn die Center-Pläne realisiert werden?

Sie müssen sich die Mühlenstraße plus Brunnen- und Rathausstraße in der Altstadt als eine große Waage vorstellen. Bereits jetzt haben wir durch die natürlichen Kundenströme ein Übergewicht im Bereich der oberen Mühlenstraße. Dort befindet sich die 1A-Lage mit hoher Kundenfrequenz, je weiter man die Mühlenstraße hinuntergeht, desto stärker nimmt diese Frequenz ab. Wenn nun das neue Center in eben diesem hochfrequentierten Teil der Mühlenstraße entsteht, gerät das gesamte Ensemble der Innenstadt endgültig ins Ungleichgewicht.

Was passiert dann mit der Altstadt, die doch den Charakter Leers sehr stark positiv prägt?

Ein wenig überspitzt gesagt: die Altstadt wird zum Museumsdorf. Ein paar Touristen verirren sich dorthin, um die hübschen Häuser anzuschauen, die dort ansässigen Geschäfte werden erhebliche Umsatzeinbußen in Kauf nehmen müssen. Den Part, den die Brunnenstraße derzeit innehat, wird dann die untere Mühlenstraße übernehmen, während der abfließende Umsatz sich auf obere Mühlenstraße, und dort besonders auf das ECE-Center verteilen wird. Nichts anderes ist ja im häufig zitierten aber kaum gelesenen CIMA-Gutachten auch gesagt.

Dort gehen die Gutachter von einem 48prozentigen Umsatzanteil aus, den das Center aus der Stadt Leer „entnimmt“…

Richtig, und davon wiederum entfallen konkret etwa 16,1 Millionen Euro Umsatz auf die Geschäfte der Fußgängerzone. Es sind aber logischerweise nicht die Geschäfte betroffen, die ohnehin von ihrer Integration in das Center profitieren. Nein, diesen Blutzoll werden die weiter entfernten Geschäfte zu entrichten haben. Und in nicht wenigen Fällen wird ein totales Ausbluten die Folge sein.

Mal vorausgesetzt, ihre Negativprognose trifft auch nur zu einem kleinen Teil ein. Das wäre für die Stadt eine mittlere Katastrophe. Sollte sich der Stadtrat im Allgemeinen und der Bürgermeister im Speziellen nicht langsam mal darum kümmern?

Ich habe Wolfgang Kellner Ende 2009 schon mal persönlich einen Brief geschrieben, in dem ich ihm meine Bedenken erläutert habe. Auf eine direkte Stellungnahme zu meinen Befürchtungen warte ich bis heute. Auch auf einem zweiten Brief an die Mitglieder des Stadtrates kam relativ wenig Resonanz. Es ist ganz offensichtlich so, dass an einem konstruktiven Dialog von Seiten der Stadt keinerlei Interesse besteht. Das finde ich einerseits dramatisch, was das Demokratieverständnis unserer Stadtoberen angeht und andererseits ist es ein deutlicher Hinweis darauf, dass hinter den Kulissen die wichtigen Entscheidungen bereits gefallen sind, man eine Diskussion darüber also für überflüssig hält.

Stichwort Demokratieverständnis: die Stadt hat jetzt angekündigt, dass die Bürger im Frühjahr 2011 Einblick in die konkreten Pläne nehmen dürfen…

Wie großzügig! Warum, so frage ich mich, sperrt man sich etwa gegen eine Bürgerbefragung zum Thema? Solch eine Befragung ist ja noch lange kein Volksentscheid, sie würde aber bestenfalls endlich mal Klarheit in die Meinung der Leeraner Bürgerschaft bringen. Und ich wäre mit Sicherheit der Letzte, der die Augen verschließen würde, wenn eine solche seriöse Befragung ein deutliches Pro-Votum für das ECE-Center ergeben würde. Dann wäre ich persönlich immer noch nicht dafür, müsste aber zur Kenntnis nehmen, dass ich offensichtlich zur Minderheit gehöre. Derzeit kenne ich allerdings nur eine Handvoll Leute, die für das Center sind. Und an deren Spitze steht der Bürgermeister…

Nun ist es ja immer sehr leicht Kritik zu üben, welche Alternativen wären denn denkbar?
Dazu hat es ja aus dem Kreis der Geschäftsleute, die im hinteren Bereich der Stadt negativ vom Center betroffen wären, bereits einen konkreten Vorschlag gegeben, der nur weitestgehend totgeschwiegen wird.

Sie meinen ein alternatives Center…

Ja, und zwar entsprechend der Waage-Symbolik, die ich vorhin bereits anführte. Ein solches kleineres Center könnte im Bereich des Osterstegs entstehen und somit dazu führen, dass die Kundenströme in der Innenstadt sich sehr viel besser verteilen würden. Die Attraktivität der Fußgängerzone wäre gestärkt, und gleichzeitig gäbe es sehr viel weniger Verlierer als bei der aktuell diskutierten Variante.

Wieviel Hoffnung haben Sie derzeit, über eine solche Lösung und über die Gesamtproblematik noch einmal wirklich konstruktiv mit den Verantwortlichen im Rat ins Gespräch zu kommen?

Ganz ehrlich? Wenig Hoffnung, sehr wenig. Das Gesprächsklima ist einfach unbefriedigend, das einzige Interesse der Stadtväter scheint zu sein, das Center in der geplanten Form durchzupeitschen. Andererseits stirbt ja bekanntlich die Hoffnung zuletzt. Also werden wir weiterkämpfen, und es bleibt zu hoffen, dass sich in der Leeraner Bürgerschaft noch viel mehr aktiver Protest gegen das Projekt in seiner jetzigen Form regt, als das bisher der Fall ist. Ein Blick nach Stuttgart zum Protest der s21-Gegner kann da gelegentlich nicht schaden…

Update: Eine leicht gekürzte Version dieses Interviews erschien Anfang Dezember 2010 im „SonntagsReport“

Tags: Bürgermeister, ECE-Center, Fußgängerzone, Innenstadt, Leffers-Optik, Stadtrat, Wolfgang Kellner

Dieser Artikel wurde am Freitag, 05UTC11 5. November 2010 um 11:02 Uhr veröffentlicht und befindet sich in der Kategorie Leer. Kommentare auf diesen Artikel können im RSS 2.0 RSS-Feed verfolgt werden. Antwort, oder trackback

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