Bürgerbefragung? Runder Tisch? – Wie beim Thema ECE Nachrichten selektiert werden / Jetzt mit Update!
Dienstag, 15UTC2 15. Februar 2011
Haben Sie in den vergangenen Tagen in der lokalen Presse etwas davon gelesen, dass der FDP-Stadtverband Leer einen „Runden Tisch“ zum Thema ECE anregt? Oder davon, dass die CDU nun doch explizit eine Bürgerbefragung fordert? Ersteres konnten Leser der Rheiderland-Zeitung lesen (oder die wenigen, die sich auf die Homepage der FDP-Leer verirren), letzteres die User der Neuen-Mitmach-Zeitung, vermutlich auch die Leser der Printausgabe am Freitag dieser Woche.
Wer in diese beiden Medien nicht reingeschaut hat, wurde über diese, angesichts der derzeit hin- und her wogenden Diskussion um das Center nicht ganz unwichtigen Dinge in der örtlichen Presse nicht informiert. Insbesondere in der Ostfriesen-Zeitung Stillschweigen. Dabei hatte man gerade das Gefühl, dass sich die dortige Berichterstattung mittlerweile objektiviert, so war dem Bericht über die Podiumsdiskussion von Radio Bremen keine Tendenz anzumerken. Eben so, wie es der Leser erwarten darf.
Erwarten darf er aber auch, über die aktuellen Ansinnen der Parteien und Fraktionen informiert zu werden, die irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft über das Projekt zu entscheiden haben. Da scheint es einem schon etwas wunderlich, dass eine Presseinfo der FDP im Rheiderland zu lesen ist, nicht jedoch in Leer. Soll das ECE-Center in Weener oder Bunde gebaut werden?
Gleich in zweifacher Hinsicht wundern muss man sich über die Forderung der CDU nach einer Bürgerbefragung. Dazu gibt es nämlich, anders als im Fall der FDP, nicht einmal eine offizielle Pressemitteilung. Ratsmitglied Ernst-Gerold Rebels stellte diese lediglich auf seinem Account als „Bürgerreporter“ bei der Neuen-Mitmach-Zeitung ein. Man mag von diesem Portal halten, was man will, ganz sicher ist es keine offizielle Verkündigungsplattform für Parteiangelegenheiten, genauso wenig wie die Facebook-Seite der Bürgerinitiative „Leer braucht Leer“, auf der Rebels‘ Eintrag zumindest verlinkt war. Andererseits: von den Kollegen der Ostfriesen-Zeitung ist zu erwarten, dass sie diese Dinge im Blick behalten. Eine anschließende Anfrage bei Rebels bzw. dem Fraktionsvorsitzenden oder dem Stadtverbandsvorsitzenden wäre wohl das Mindeste gewesen, scheint aber nicht erfolgt zu sein.
Dass eine Bürgerbeteiligung, wie auch immer sie letztlich konkret aussehen mag, in diesem Fall mittlerweile nicht mehr nur eine Möglichkeit, sondern fast schon eine absolute Notwendigkeit geworden ist, erschließt sich mittlerweile sogar den meisten Politikern. Wie der Bürger sich allerdings für seine Entscheidung bei einer solchen Befragung rüsten soll, wenn er ständig das Gefühl hat, umfassende Informationen nur unter hohem Zeitaufwand und mit viel Eigeninitiative zu bekommen, bleibt das Geheimnis derjenigen, die sich auf die Fahnen geschrieben haben, „unabhängig und überparteilich“ zu informieren.
Dazu passt, nebenbei bemerkt, die wunderliche Tatsache, dass Bürgermeister Kellner erst am 12. Februar von der OZ nach seiner Teilnahme an der Veranstaltung der Stiftung „Lebendige Stadt“ gefragt wurde, ein Artikel im übrigen, der sich auf der Online-Seite der OZ gar nicht findet, womit sich die selektive Auswahl von Informationen im Grunde fortsetzt. Die Verquickungen zwischen ECE und der von ECE-Gründer Otto ins Leben gerufenen Stiftung waren immerhin schon am 2. November 2010 vom NDR thematisiert und in Leer immerhin von der Neuen Zeitung aufgegriffen worden. Aber warum sollte man darüber auch schreiben. Laut Wolfgang Kellner handelt es sich dabei ja ohnehin nur um „Verleumdungen und Unterstellungen“. Das lassen wir an dieser Stelle dann auch einfach mal unkommentiert…
Update 16.2.:
Ok, der angemahnte Anruf bei der CDU hat offensichtlich doch stattgefunden, heute morgen berichtet die OZ über die geplante Bürgerbefragung der CDU (von der Pressemitteilung der FDP weiterhin keine Spur). Dazu zwei kurze Anmerkungen:
- Man muss sich fragen, woher die in der Pressemitteilung kolportierte Darstellung stammt, es hätten sich bisher nur „Gruppen“ zu Wort gemeldet, die „persönliche Interessen mit dem Bau des Einkaufszentrums oder seiner Verhinderung verknüpfen.“ Die Bürgerinitiative „Leer braucht Leer“ ist, wie die meisten Bürgerinitiativen, eine sehr heterogene Gruppe. Sie besteht aus Mitgliedern sämtlicher Bevölkerungsgruppen von Leer, es gibt die Geschäftsinhaber und Immobilienbesitzer (auf die diese Äußerung augenscheinlich zielt), es gibt aber, und der Verfasser dieser Zeilen zählt sich auch dazu, genauso viele normale Bürger, die einfach nur ihren Bedenken und Sorgen gegenüber einer der größten Verschlimmbesserungen dieser Stadt Ausdruck verleihen. Diese normalen Bürger gibt es auf der Befürworterseite übrigens genauso. Es sind jene, die beim „Shoppen“ die Sicherheit brauchen, auf relativ kleinem Raum alles zu finden, was sie in jeder Stadt finden, um das Gefühl zu haben, nicht von der großen weiten Shopping-Welt abgehängt zu sein. Das muss man nicht gut finden, eine Gruppe mit persönlichen Interessen ist das allerdings auch nicht.
- Der zweite Punkt ist die Äußerung des Fraktionsvorsitzenden Walter Düngemann. Der sieht im Antrag seiner eigenen Partei offensichtlich wenig mehr als einen lustigen kleinen Zeitvertreib. „Entspannt“, so die OZ, geht Düngemann davon aus, dass „die Wahrscheinlichkeit, dass der Antrag durchgeht“ ohnehin „nicht sehr groß“ sei. Na denn. Man ahnt, wie viel Überzeugungsarbeit jemand bei den Ratskollegen betreiben wird, wenn er eigene Anträge mit solchem Engagement stellt.