Die Bürgerinitiative geht mir am A… vorbei. Was SPD-Fraktionsvorsitzender Heinz-Dieter Schmidt im OZ-Interview wirklich sagen wollte. Ein Übersetzungsversuch
Autor: Carsten Tergast
Am heutigen Samstag bringt die Ostfriesen-Zeitung zur Abwechslung mal wieder ein Interview mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden im Leeraner Rat, Heinz-Dieter Schmidt. Die Aussagen Schmidts sind wie gewohnt in SPD-Leer-Sprache verfasst und auch die Fragen des Interviewers, Wolfgang Malzahn, unterscheiden sich nicht von den in den zurückliegenden Monaten gestellten Fragen in typischer OZ-Diktion. Lesen Sie auf Leer-Meinung nun die Übersetzung des Interviews auf für Normalbürger verständliches Klardeutsch.
Kursiv gesetzt lesen Sie die Originalzitate aus dem heutigen OZ-Interview, darunter die Übersetzung.
OZ: Herr Schmidt, denken Sie manchmal mit Sorgen an den 11. September?
Übersetzung: Herr Schmidt, mit der derzeitigen Haltung der SPD-Fraktion werden Sie bei der Kommunalwahl ein Desaster erleben. Ist es nicht an der Zeit, mal grundsätzlich Ihr Verhalten gegenüber den Leeraner Bürgern, Ihren potenziellen Wählern, zu überprüfen?
Schmidt: Nein, denn ich glaube, dass wir in den letzten Jahren als SPD-Fraktion mit unserer Politik die Stadt Leer nach vorne gebracht haben und die Bürger sicherlich wollen, dass wir unsere erfolgreiche Arbeit fortsetzen.
Übersetzung: Nein, denn wir von der SPD sind unfehlbar und wissen die schweigende Mehrheit immer hinter uns. Die Bürger müssen also nicht denken, sondern nur ihr Kreuz machen. Das Denken übernehmen wir für sie.
OZ: Aber die massive Anti-SPD-Kampagne der Bürger-Initiative „Leer braucht Leer“ müsste Ihnen doch eigentlich Sorgenfalten auf die Stirn treiben?
Übersetzung: Wann klagen Sie eigentlich endlich gegen die Bürgerinitiative „Leer braucht Leer“? Das ist doch total unverschämt, was die machen?
Schmidt: Das Thema, das die Initiative besetzt, ist nur ein Thema von vielen. Sicherlich ein bedeutendes, aber wir dürfen darüber nicht außer Acht lassen, wie sich die Stadt Leer in den letzten Jahren entwickelt hat: Soziale Stadt, Bebauung der Nesse, die Gestaltung des Hafens mit der Tourismus-Zentrale, wir haben ausgezeichnete Kindergärten und Schulen – um nur einige Dinge zu nennen, die positive gelaufen sind. Bei den Kommunalwahlen werden die Bürger uns danach beurteilen und nicht ausschließlich nach dem Thema ECE.
Übersetzung: Die Bürgerinitiative geht mir am A… vorbei. Die können so lange reden wie sie wollen, wir sind doch diejenigen, die Leer zur Großstadt machen: auf der Nesse bauen wir Altenwohnungen für Millionäre und bereiten die architektonische Schönheit, die das ECE-Center bieten wird, mit großstädtischem Wohnflair vor. Wir haben tolle Kindergärten, deswegen ist es auch ok, dass bei uns die Kindergartengebühren so hoch sind, wie in kaum einer anderen Stadt und tolle Schulen haben wir auch, deshalb brauchen wir uns über eine personell und pädagogisch gut geplante Schaffung von Ganztags-Schulen auch keine Gedanken machen. Bei den Kommunalwahlen machen sie Leeraner sowieso ihr Kreuz bei der SPD, deswegen können wir auch jede noch so unsinnige Haltung zum Thema ECE durchsetzen.
OZ: Sie glauben also nicht, dass das Thema „Innenstadt-Center“ wahlentscheidend sein wird?
Übersetzung: Sie glauben also nicht, dass das Thema „Innenstadt-Center“ wahlentscheidend sein wird?
Schmidt: Es wird ein sehr bedeutendes Thema sein, und unsere Aufgabe wird sein, unsere Sicht der Dinge deutlich zu machen. Das ist in letzter Zeit zu kurz gekommen. Aber es wird nicht das einzige und wahlentscheidende Thema sein.
Übersetzung: Leider werden wir nicht darum herumkommen, uns mit dem Thema befassen zu müssen, auch wenn wir das bisher nicht tun mussten, weil ja ECE und CIMA alles für uns regeln wollten. Aber da die schweigende Mehrheit sich ja eh nicht für das Thema interessiert, werden die meisten Wähler sowieso ihr Kreuz bei der SPD machen.
OZ: Warum wehren Sie und Ihre Fraktion sich eigentlich so vehement gegen ein von der Bürgerinitiative „Leer braucht Leer“, aber auch von der FDP geforderte Bürger-Befragung zusammen mit der Kommunalwahl?
Übersetzung: Nach der AWG und der CDU hat auch die FDP eine Bürgerbefragung gefordert, die Bürgerinitiative will sie sowieso. Warum sind die Sozialdemokraten eigentlich nach wie vor strikt dagegen?
Schmidt: Eine Bürgerbefragung zu diesem Zeitpunkt ist im Verwaltungsausschuss mit großer Mehrheit abgelehnt worden. Begründung: Um den Bürger zu befragen, muss er vorher informiert werden, worüber überhaupt gesprochen wird. Im Moment sind wir bei Null. Der Bebauungsplan soll so gestaltet werden, dass dort Handel stattfinden kann. Aber ob das Center überhaupt kommt und in welcher Form, wissen wir gar nicht. Das heißt also, wir wissen zur Zeit nicht, welche Fragen wir dem Bürger stellen sollten, die er dann richtig beurteilen kann.
Übersetzung: Zum Glück haben wir den Verwaltungsausschuss, in dem wir alles abbügeln können, was die unwissende Bevölkerung sich einreden lässt. Der Bürger hat nur Informationen von den ECE-Gegnern bekommen, damit würden wir bei einer Befragung alt aussehen, da werden Sie doch verstehen, dass wir nicht dafür sein können. Das Ansehen der SPD-Fraktion liegt unter Null. Wir wissen weder, ob das Center kommt, noch wissen wir, was reinkommen soll, eigentlich wissen wir nach wie vor gar nichts, weil das ja alles von ECE und CIMA geplant und durchgeführt wird. Egal, wie wir bei einer Befragung die Frage stellen würden, wir können also nur verlieren, weil der Bürger doch noch unwissender ist als wir.
OZ: In der Öffentlichkeit hat sich der Eindruck verfestigt, die SPD sei die Partei, die ohne Wenn und Aber ein ECE-Center haben will.
Übersetzung: Die Öffentlichkeit weiß aber doch so langsam, dass die SPD ohne Wenn und Aber ein ECE-Center haben will.
Schmidt: Da kann ich nur auf unsere Stellungnahme verweisen, die auch in der OZ veröffentlicht wurde. Wir sind in keinster Weise ohne Wenn und Aber für ein ECE-Center. Wir sind der Meinung, dass die Innenstadt sich weiterentwickeln muss. Und diese Einkaufszentrum ist eine potenzielle Chance, die wir prüfen müssen – aber zu unseren Bedingungen: Erhalt der Fassaden, integriertes Wohnen, ein dauerhaft angesiedelter Lebensmittelmarkt, der Warenmix muss stimmen, Produkte, die sonst in der Stadt nicht mehr angeboten werden wie Sportartikel, Spiel- und Haushaltswaren, gehören in das Center. Insgesamt sind es fünf Punkte, die erfüllt sein müssen, eher wir zustimmen werden.
Übersetzung: Wir sind für ein ECE-Center. Wir haben zwar ein paar weiche Bedingungen, die ECE aber sicher schnell stemmen wird. Haushaltswaren müssen unbedingt in das Center, denn die bekomme ich ja nur im hinteren Teil der Stadt und da muss ich immer so weit laufen, wenn ich von Leffers komme. Das geht auch weiter vorne, und dafür brauchen wir ein Center. Wir sind der Meinung, dass die Innenstadt sich weiterentwickeln muss und da die eigentlich ja nur aus der 1A-Lage besteht, ist es doch toll, dass ECE uns das alles bezahlt und wir die Hände in den Schoß legen können.
OZ: Was passiert mit der Leeraner Innenstadt, wenn das Center, so wie es von Ihnen befürwortet wird, nun doch nicht gebaut werden sollte?
Übersetzung: Was machen Sie eigentlich, wenn Sie nicht wiedergewählt werden oder ECE keine Lust mehr auf Leer hat?
Schmidt: Die Angebotspalette ist in den vergangenen Jahren deutlich geschrumpft. Die Einkaufsmärkte am Rande der Stadt und auch die Kommunen in der Nachbarschaft haben sich immer weiter entwickelt. Wenn in der Stadt Leer diese Entwicklung nicht mitgemacht wird, befürchten wir, dass die Innenstadt deutlich an Bedeutung und Attraktivität verlieren wird.
Übersetzung: Dann sind die Bürger und die Kaufleute Schuld, wenn sich Leer nicht weiterentwickelt.
OZ: Im Grunde kann, wenn man Ihrer Argumentation folgt, Leer insgesamt durch ein Center nur gewinnen. Was treibt dann so viele Menschen dazu, gegen das Projekt Sturm zu laufen?
Übersetzung: Warum haben Sie eigentlich den Argumenten der ECE-Gegner nichts entgegenzusetzen?
Schmidt: Politik und Verwaltung haben es versäumt, die Bürger objektiv über das Projekt zu informieren. Sie sind bislang nur sehr einseitig von den Gegnern informiert worden. Rat und Verwaltung haben das verpasst. Dieses Manko muss beseitigt werden. Die Bürger müssen nicht nur besser informiert werden, sie sollen sich auch mit einbringen können. Wenn das alles geschehen ist, könnte man, wenn man es dann überhaupt noch für erforderlich hält, eine Bürgerbefragung machen. Aber zu diesem Zeitpunkt sehen wir dazu überhaupt keine Veranlassung.
Übersetzung: Irgendwann werden wir den Bürgern vielleicht mal unsere Version der Fakten zum Center erzählen. Falls wir welche finden, die dafür sprechen. Das ist bisher versäumt worden. Für eine Bürgerbefragung sehen wir allerdings keine Veranlassung, weil die Bürger ja ohnehin nichts von dem Thema verstehen.
OZ: Man hört immer wieder, in der SPD herrscht bei der Frage nach dem ECE-Center Fraktionszwang. Alle seien auf „Schmidt-Kurs“ eingeschworen. Wie halten Sie Ihre Sozialdemokraten denn nun auf Kurs?
Übersetzung: Klasse, dass sich wenigstens die SPD beim Center einig ist. Wie schaffen Sie das nur?
Schmidt: Also – das ehrt mich schon sehr, wenn unsere politischen Gegner mich für so einflussreich halten. Aber in diesem Fall kann ich sagen, dass wir nach langen, auch kontroversen Diskussionen zu diesem Thema einstimmige Beschlüsse gefasst haben. Das heißt: Es gibt bei uns in der Fraktion keinen, der gegen diesen Kurs ist. Wenn es denn so wäre, würden wir – wie es üblich ist bei uns – mehrheitlich gefasste Beschlüsse gemeinsam vertreten. Aber in diesem Fall gibt es einen einstimmigen Beschluss. Deshalb ist es völlig abwegig, von Fraktionszwang zu sprechen.
Übersetzung: Bei der SPD sind immer alle einstimmig für eine Haltung. Wo kommen wir denn hin, wenn jeder eine eigene Meinung hat. Dann bekommen wir ja nie ein Center. Das muss eigentlich auch unserem politischen Gegner einleuchten.
Tags: ECE, Heinz-Dieter Schmidt, OZ, SPD, Wolfgang Malzahn
9. Juli 2011 at 18:20
Großartiger Text. Drücke die Daumen, dass wenigstens Leer es schafft, sich ECE zu widersetzen.
10. Juli 2011 at 17:58
Die Stimmung/Zustimmung zu ECE bei den Bürgern/ Wählern (besonders der SPD) beginnt zu kippen, u.a.wegen solch grandioser Artikel und Kommentare, wie z.B. dieser „Übersetzungsversuch“ Aufklärung hat eben noch nie geschadet, vor allen Dingen, wenn sie wahr ist und humorvoll vorgetragen wird. Weiter so! Es wird gelingen, da bin ich mir ganz sicher.