Die Wahl – eine Qual. Ein Kommentar zum Ergebnis des ersten Wahlgangs der Bürgermeisterwahl
Autor: Carsten Tergast
Der mit Spannung erwartete erste Wahlgang zur Neubesetzung des Bürgermeisterpostens in Leer ist Geschichte. Amtsinhaber Wolfgang Kellner konnte mit 31,4 Prozent gegenüber 21,5 Prozent bei Stichwahlkonkurrentin Beatrix Kuhl einen klaren Vorsprung für sich verbuchen.
Die Kommentare seit Sonntag abend ähneln sich. Von allen Seiten war zu hören, das Ergebnis für Amtsinhaber Wolfgang Kellner sei eine „Klatsche“ gewesen, ein „Denkzettel“, mithin: ein schlechtes Ergebnis.
Stimmt das? Ich denke: Nein!
31 Prozent ist dafür, dass gefühlt die meisten Leeraner verstanden zu haben schienen, dass die Stadt einen Neuanfang auf dem Chefsessel braucht, ein ziemlich ordentliches Ergebnis. Scheinbar besitzt Kellner eine stabile „fanbase“ in der Stadt, die ihm entweder jeden Fehltritt verzeiht oder diesen gar nicht erst wahrnimmt.
Allerdings ist Kellners Erfolg, und als solcher ist er meines Erachtens zu werten, auch der Beißhemmung der Konkurrenten im Wahlkampf geschuldet. Wobei, Wahlkampf? Hatten wir denn einen? Es gab zwei größere Podiumsdiskussionen, auf denen man sich weitgehend gut verstand und das Publikum schon sehr genau hinhören musste, um substanzielle Unterschiede zwischen den Positionen zu erheischen. Es gab natürlich die üblichen nichtssagenden Plakate und Anzeigen. Und es gab eine Reihe Interviews, die in frappierender Weise wortwörtlich die Textbausteine wiederholten, die auch auf Plakaten und Diskussionen zu lesen und zu hören waren.
Kein „13 Jahre Kellner sind genug, jetzt muss frischer Wind wehen“, kein provokanter Angriff mit dem Risiko, vielleicht verbal auch mal übers Ziel hinauszuschießen. Wahl“kampf“ in Zeiten der Konsensgesellschaft, in der es uns ja eigentlich allen gut geht, und es auch nicht so schlimm ist, wenn alles so weitergeht wie bisher. Für jeden Bürger, der sich deutliche Aussagen gewünscht hatte, war der Wahlkampf ein Qualkampf.
Dass die SPD-Fraktion sich heute geschlossen hinter Kellner gestellt hat, ist ein Armutszeugnis und gleichzeitig wohl auch der Grund für das schlechte Abschneiden von SPD-Kandidat Jochen Kruse. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.
Es bleibt zu hoffen, dass Beatrix Kuhl die kommenden drei Wochen bis zur Stichwahl nutzt, um sich deutlicher zu positionieren, deutlicher von Kellner abzugrenzen, gerne auch mal mit Bemerkungen aus der Abteilung Attacke, die signalisieren: „Ja, ich will unbedingt Bürgermeisterin werden!“
Denn eins ist klar: Noch mal sieben Jahre mit dem Amtsinhaber wären für Leer schwer zu ertragen. Kellner hat hinlänglich bewiesen, dass es ihm an Führungsqualitäten mangelt, an Kritikfähigkeit und an dem Willen, integrativ statt spaltend an der Spitze der Stadt zu wirken.Es ist wahrlich an der Zeit für einen Wechsel.
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