Gastbeitrag von Jörg-Michael Nowicki-Hecht: Stiefkind Altstadt
Mittwoch, 02UTC3 2. März 2011
Ab und an sind auf diesem Blog auch Gastbeiträge gern gesehen. Heute schreibt Jörg-Michael Nowicki-Hecht, Inhaber des Antiquariates Hecht in der Brunnenstraße, über die Einlassungen zum Thema Altstadt, die in der Ostfriesen-Zeitung von heute aus dem Munde der Multi-Geschäftsführer Fritz-Rudolf und Matthias Brahms zu vernehmen waren.
Heute war in der Ostfriesen-Zeitung ein (online mal wieder nicht abrufbares) Interview mit den Multi-Chefs Fritz Rudolf und Matthias Brahms zu finden – natürlich zum Thema ECE. Bei einem Satz bin ich hängen geblieben, scheint er doch die allgemeine Meinung zum Thema Altstadt wiederzuspiegeln „Die Altstadt hingegen spricht ganz andere Kunden an, in erster Linie Touristen, also Leute, die viel Zeit mitbringen.“ (Matthias Brahms).
Ich denke, das sehen die Geschäftsleute in der Altstadt anders. In der Brunnenstraße finden sich u.a. ein Second-Hand-Laden, Wäschehaus, Sanitätshaus, Möbelladen, Uhrmacher, Schuhladen, Apotheke, Antiquariat, Frisör, Optiker, Sportgeschäft. Ich wüsste nicht, dass dies Branchen sind, die speziell Touristen ansprechen. Dazu kommt: Urlauber sind in Leer hauptsächlich von Mai bis September anzutreffen, von kurzen Ausnahmen wie Silvester, Karneval und Ostern mal abgesehen.
Zudem sind auch nur die Individualreisenden interessant, die Busladungen der Generation 70+, die im Sommer durch die Altstadt strömen, schauen höchstens noch auf die Fassaden, zum Betreten eines Ladens bleibt keine Zeit, man muss der Menge folgen, um den Anschluss nicht zu verlieren. Fazit: Der durch Urlauber erzielte Umsatz wird also nicht reichen, um die „urlauberarmen“ Monate Oktober bis April aufzufüllen.
Aber auch von Stadt und Politik fühlen sich viele Geschäftsleute in der Altstadt stiefmütterlich behandelt. Während mittlerweile fast in der ganzen Stadt die Bäume beschnitten sind, warten wir in der Altstadt seit zwei Jahren darauf, dass die Äste, die inzwischen in die Fassaden ragen, geschnitten werden.
Der Winterdienst ist ein weiteres Beispiel: In der Rathausstraße, ihres Zeichens eine Fußgängerzone, haben die ansässigen Geschäftsleute vor ihren Geschäften Schnee geräumt. Wie gesagt, vor den Geschäften. In der Mitte konnte man über Wochen nicht laufen, weil nicht geräumt war, nicht einmal als Menschenmassen zum „Wiehnachtsmarkt achter’d Waag“ strömten.
Letztes Beispiel: Die Stadt hat der Werbegemeinschaft im vergangenen Jahr 50.000 € für Weihnachtsbeleuchtung zur Verfügung gestellt. In der Altstadt ist davon leider nichts angekommen, dort hängt seit Jahren die ausrangierte Weihnachtsbeleuchtung aus der Fußgängerzone. Und wo wir gerade beim Thema Beleuchtung sind: Alle 20m eine historische Laterne mit Energiesparfunzeln reicht nicht aus, um eine Geschäftsstraße, wie es die Brunnenstraße nun mal ist, im Winter so auszuleuchten, dass es für Kunden angenehm und vor allem sicher ist, sich dort zu bewegen.
2010 sollte – ich habe die Worte von Johannes Poppen, Vorsitzender der Werbegemeinschaft und Geschäftsführer von Leffers noch in den Ohren – das Jahr der Altstadt werden. Geschehen ist nichts. Ich möchte nicht wissen, was uns dann 2011 blüht.
Und, liebe Redakteure der OZ: Schreibt ruhig weiter, dass die Altstadt nur etwas für Urlauber ist und dass hier sowieso nichts los ist – dann gehen die Lichter hier bald ganz aus.