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Wann kommt der runde Tisch?
Dienstag, 29UTC10 29. Oktober 2013
Podiumsdiskussionen leben in der Regel vom Streitpotenzial auf dem Podium. Erst wenn Vertreter unterschiedlicher Standpunkte eindeutig Position beziehen und die Konfrontation nicht scheuen, wird’s interessant fürs Publikum.
Insofern war am gestrigen Abend von der Runde, die sich im Leeraner Kulturspeicher zusammengefunden hatte, um auf Einladung des ver.di-Ortsverbandes Leer über die Häufung der Mitternachtsshoppings in Leer zu diskutieren nicht allzu viel zu erwarten. Auf dem Podium im Grunde nur erklärte Gegner der übermäßig vielen langen Einkaufsnächte: Sven Dirksen, Kreisvorsitzender der FDP, Hans-Herrmann Woltmann, Vorsitzender des Kirchenkreistages Emden-Leer, Sascha Laaken, Kreisvorsitzender der SPD sowie Marcus Ubbens von der Bürgerinitiative „Leer braucht Leer“. Enttäuschend die Nichtteilnahme eines Vertreters der CDU, noch enttäuschender, wenn auch erwartbar das Nichterscheinen von Johannes Poppen, der als Vorsitzender der Werbegemeinschaft Leer und Initiator der Mitternachtsshoppings die Gelegenheit hätte nutzen können, seine Sicht der Dinge einmal abseits von Zeitungsschlagzeilen darzulegen.
Im Laufe der Diskussion stellte sich jedoch heraus, dass sehr wohl auch diese Konstellation genug Zunder barg, um für einen spannenden Abend zu sorgen. Das lag vor allem daran, dass eine überaus rege Beteiligung aus dem Publikum recht schnell dafür sorgte, dass die Diskussion sich vom ursprünglichen Thema weg verlagerte und es stattdessen ans Leeraner Eingemachte ging. Denn darüber, dass sieben, bzw. wie für 2014 bereits angekündigt, acht Mitternachtsshoppings plus Sonderöffnungen an Sonn- und Feiertagen zu viel sind, bestand in der Tat Einigkeit in der Runde.
Unterhielt man sich jedoch zu Beginn noch darüber, dass die Möglichkeit, hier eine Veränderung herbeizuführen, nur über die Landespolitik und ihre Vertreter in Hannover bestünde, so wurde recht bald klar, dass das der speziellen Leeraner Situation nicht gerecht würde. Als zentraler Streitpunkt stellte sich alsbald die Frage heraus, wie die Situation in Leer zu verändern sei. Von dieser Frage aus bis zur Konstellation in Werbegemeinschaft, Verwaltung und Politik der Stadt war es dann nur noch ein kleiner Schritt.
Wortbeiträge aus dem sehr engagiert diskutierenden Publikum verwiesen darauf, dass es für die Teilnehmer auf dem Podium schwierig sei, die internen Vorgänge in der Werbegemeinschaft und auf deren Sitzungen nachzuvollziehen. Dort werde auf eine Art und Weise miteinander umgegangen, die es kritischen Mitgliedern schwer mache, ihrer Position Gehör zu verschaffen.
Diese Ausführungen schienen insbesondere Sascha Laaken zu erstaunen, der seine Tätigkeit als Vorsitzender eines hiesigen Sportvereins erwähnte, in dem alle Entscheidungen demokratisch fielen. Das, so Laakens Vorstellung, müsse doch auch in der Werbegemeinschaft möglich sein, das sei schließlich auch nur ein Verein. Auf mehrfache Äußerungen aus dem Publikum, die ein Vorgehen des Stadtrates gegen die selbstherrliche Politik des WGL-Vorstandes forderten, reagierte Laaken mit dem Hinweis, die Politik habe sich aus Vereinsbelangen herauszuhalten. Die Tatsache, dass eben diese Politik sich bereits in dem Moment mit dem Verein beschäftigt, in dem sie ihm einen Zuschuss aus Steuermitteln von kolportierten 100.000 Euro jährlich gewährt, schien Laaken dabei nicht zu stören.
Endgültig kochte die Stimmung im Saal hoch, als mehrere Wortbeiträge kritisch auf die Berichterstattung der Ostfriesen-Zeitung hinwiesen, was die anwesende Redakteurin mit sehr sparsamen Blick und beständigen Kopfschütteln quittierte. Zuspruch bekam sie lediglich in der Schlussrunde von…, ja genau, von Sascha Laaken, der diese Kritik ebenso wenig zu verstehen schien wie die Sorgen der Kaufmannschaft in Bezug auf den Führungsstil innerhalb der Werbegemeinschaft.
Immerhin hatte sich das zentrale Problem mittlerweile herauskristallisiert: Eine Änderung im Gebaren der Werbegemeinschaft, die für die Inflation der Mitternachtsshoppings mit all ihren negativen Folgen für den Leeraner Einzelhandel und seine Beschäftigten verantwortlich ist, lässt sich nur über die Person des Vorsitzenden Johannes Poppen herbeiführen. Solange dieser sich jedoch öffentlichen Diskussion wie der gestrigen, bei denen ihm Gegenwind droht, entzieht und Dinge lieber autokratisch im kleinen Kreis regelt, wird es keinerlei Änderungen geben.
Um die Situation aufzubrechen und in Bewegung zu bringen, wurde mehrfach die zeitnahe Installation eines runden Tisches gefordert, an dem Vertreter der Parteien, der WGL, der Verwaltung und auch der Bürgerinitiative zu sitzen haben. Letzteres fand indes die Ablehnung des SPD-Vertreters. Laaken würde die BI gerne von solchen Gesprächen ausschließen, da sich dadurch die Chance, die WGL an den Tisch zu bekommen, verringern könnte. Dass er damit ein etwas merkwürdiges Demokratieverständnis offenbarte, störte ihn offensichtlich nicht.
Was bleibt von diesem Abend? Wohl die Erkenntnis, dass mit den derzeit handelnden Personen keine Änderung der Zustände herbeizuführen ist. Darüber hinaus die Erkenntnis, dass der Leeraner Stadtrat nicht weiter die Zuständigkeit für das Gebaren der Werbegemeinschaft von sich weisen kann.
Die Diskussionsleiterin, Elisabeth Popken vom Leeraner ver.di-Ortsverband, wurde aufgefordert, die Fraktionen des Stadtrates anzusprechen und zur Teilnahme an der Diskussion aufzufordern. Sie versprach, dieser Anregung nachzukommen. Sollte das geschehen, wäre es in der Tat wünschenswert, endlich in die Diskussion mit allen Beteiligten einzusteigen. Dieser Zustand ist jedoch erst erreicht, wenn auch Johannes Poppen von seinem hohen Ross heruntersteigt und sich dazu herablässt, seine Vorgehensweise Auge in Auge mit dem von ihm belächelten Fußvolk der Kaufmannschaft zu diskutieren. Öffentlich. Und anschließend schreibt die OZ darüber einen Artikel, in dem die Worte „grandios“, „super“ und „erfolgreichstes Mitternachtsshopping aller Zeiten“ ausnahmsweise einmal nicht vorkommen.